CELIBIDACHE
Man will nichts - man läßt es entstehen

Drehbuch: Jan Schmidt-Garre
Kamera: Walter Lindenlaub, Diethard Prengel

Seine Zornesblitze schleudert dieser Jupiter sonans gleich bündelweise: Wenn Sergiu Celibidache über Tempofragen räsoniert, werden Andersdenkende recht forsch als "unverschämte Ignoranten" weggewischt. Und wenn der Maestro befindet "Davon hat keiner eine Ahnung" dann redet er schlicht und ergreifend über die Kunst, einen Viervierteltakt zu schlagen. Doch ganz verloren ist die Musenkunst noch nicht; bewegt erkennt der Meister bei der Arbeit mit Orchesternachwuchs: "Es wird auch nach mir noch Musik gemacht - Donnerwetter!"

Szenen eines Filmporträts, das der junge Regisseur und Celibidache-Schüler Jan Schmidt-Garre in dreijähriger Arbeit erstellt hat. Nicht Personenkult oder Einblicke in des Künstlers Seelenleben seien das Thema, so erfahren wir, sondern die objektive Frage nach der Entstehung von Musik aus Klang, das Wesen der Interpretation als Suche nach dem Willen des Komponisten. Probleme also, die durch die Verknüpfung mit Celibidäches Person nicht eben einfacher werden. Denn so klug der Meister nach der Wahrheit fragt, so analytisch-souverän er in den Probenszenen wirkt - er kann das eigene Wesen, die Subjektivität seines Denkens und Fühlens doch keinen Takt und keinen Satz lang leugnen.

Womit sich aus dieser Hommage auf Celibidaches Nonkonformismus letztlich doch ein fesselnd vielschichtiges Künstlerpsychogramm entwickelt: Celibidache zwischen Groll und Grandezza, zwischen Utopie und Enttäuschung, zwischen Charme und Charisma. Und die Huldigung an Celibidache gerät versehens zur Studie über die Faszinationskraft künstlerischen Ausnahmeverhaltens. Da freilich bietet "Celi", bietet dieser Film nun mehr als reiches Material: Der "Diktator" auf dem Dirigentenpult, bei dem altgediente Orchestermusiker in glücklicher Erinnerung an erbitterte Probenskandale schwelgen; der Lehrer, der seine Schüler mit giftigen Sarkasmen eindeckt - um sie gleich darauf zu höheren Erkenntnisweihen zu erheben; der Publikumsmagnet, der glatte Publicity barsch zu verhindern weiß; der sich in Unverstandenheit sonnende Einzelgänger, der heimlich doch geliebt werden will von Schülern und Verehrern; der Guru gar, der von den letzten Dingen spricht vor einer ergriffenen Adeptenschar - und deren Verstehensmöglichkeit bisweilen grob bezweifelt. Celibidache bezwingt und brüskiert sein Umfeld wohl mehr als jeder andere Musiker seines Ranges - aber er zeigt auch seine Wunden.

Vor allem aber macht der Film Verletzlichkeit begreifbar: Denn da sieht man in einer Archivaufnahme aus dem Nachkriegsberlin der Trümmerjahre den jungen, fanatischen, weltmännisch eleganten Celibidache am Pult der Berliner Philharmoniker; Beethovens "Egmont"-Ouvertüre wird mit glühender Intensität gespielt; Wolken- und Himmelsbilder in heute reichlich antiquiert wirkender Dramatisierungstechnik werden eingeblendet; ein deutliches "Per aspera ad astra"-Motiv. Nach diesen Bildern genügt der knappe Kommentar, daß Herbert von Karajan statt Celibidache zum Fürtwängler-Erben ernannt wurde - und man erahnt den Grad der einstigen Kränkung. Schmidt-Garres Film nähert sich dem Maestro hier mit unverhohlener Verehrung; daß dennoch das Bild eines genialisch Schwierigen mit all seinen Widersprüchlichkeiten entstanden ist, wird dessen Naturell durchaus gerecht.
(Klaus Bennert SZ)

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